Haltung annehmen

Man kennt es als unangenehmes Relikt aus der Kindheit, die ständigen Ermahnungen: „Setz dich ordentlich hin! Halt dich doch gerade!“ Da eine schlechte Körperhaltung auf lange Sicht schädlich ist, scheint haltungskorrigierende Kleidung ein probates Mittel zu sein – zurecht?

Herausforderungen des Alltags

Unsere moderne Umwelt macht es uns nicht einfach mit der guten Körperhaltung. Zu langes Sitzen und einseitige Sportarten bewirken eine Verkürzung der Hüftbeuger. Dadurch kippt das Becken nach vorn und klemmt nicht nur die Hüftgelenke ein. Eine aufrechte Körperhaltung ist dann nur noch durch eine übertriebene Hohlkreuzhaltung möglich, was Schmerzen im unteren Rückenbereich begünstigt.

Auch ist die typische Haltung beim Bedienen von Handy oder Tablet physiologisch bedenklich. Der nach unten gerichtete Blick und nach vorn geneigte Kopf stellen eine enorme Herausforderung für die Halswirbelsäule dar. Nach dem Prinzip des Lastarmes muss diese ein Vielfaches des Gewichts des Kopfes aushalten. Dieser wiegt im Durchschnitt zwischen fünf und sechs Kilogramm. Dies ist um so bedenklicher, denn schließlich verbringen Erwachsene bis zu drei Stunden am Tag in dieser Position, Jugendliche sogar bis zu zehn Stunden.

Weitreichende Folgen

Aus der Behandlung von Osteoporosepatienten weiß man, wie fatal sich eine nach vorn gebückte Haltung auswirken kann. Die Druckbelastung auf die Wirbelkörper steigt und damit auch das Risiko für eine Fraktur. Bricht ein Wirbelkörper, so heilt er meist in einer kyphotischen Stellung aus. Das bedeutet, dass durch eine Buckelhaltung eine nach vorn geneigte Krümmung in der Wirbelsäule entsteht, wodurch die Fehlstatik begünstigt wird und das Risiko für weitere Frakturen steigt. Eine solche Kyphose hat jedoch auch noch weitreichendere Folgen: Zum Beispiel kann die Lungenfunktion signifikant eingeschränkt werden oder es können auch negative Effekte auf die Psyche auftreten.

Eine gute Köperhaltung kann man nur erreichen, wenn eine Kontrolle der Haltung am besten durch einen Coach oder einen Spiegel erfolgt, wenn Übungen zur Wiederherstellung oder Verbesserung der Beweglichkeit durchgeführt werden und ein Kraftaufbau erfolgt.
Um dieses Vorhaben strukturiert und geordnet umzusetzen, sind Pilates als Trainingsform und die Zusammenarbeit mit einem Physiotherapeuten oder Trainer empfehlenswert.

Ein neuer Trend?

Gibt es neben Sportprogrammen oder einer Konsultation beim Physiotherapeuten noch weitere Möglichkeiten, um im wahrsten Sinne des Wortes eine bessere Figur zu machen? Nun kommt die sogenannte haltungskorrigierende Kleidung ins Spiel. Bereits seit einiger Zeit ist diese erhältlich. Es handelt sich meist um ein Shirt, entweder mit oder ohne Ärmeln.

Das Ganze funktioniert so: Eingearbeitete elastische Fasern ziehen die Schultern nach hinten und richten auf diese Weise die Brustwirbelsäule auf. Diese Fasern sind im Bereich des Rückens verarbeitet.

Das Tragen solcher Kleidung allein reicht nicht aus, um eine Veränderung der Körperhaltung herbeizuführen. Physiotherapie und ein regelmäßiges, angemessenes Sportprogramm sollten ganz klar im Vordergrund stehen. Ein weiterer zentraler Faktor ist der Wille zur Veränderung und die eigene Beschäftigung mit dem Thema – nicht zuletzt, um sich nicht von Hilfsmitteln abhängig zu machen.
Im Internet gibt es bereits vereinzelt Rezensionen von Nutzern haltungskorrigierender Kleidung. Der Tenor ist, dass man gerade durch die Spannung im Kleidungsstück konstant erinnert und ermahnt wird, die richtige Haltung einzunehmen. Damit soll sich neben einem subjektiven besseren Haltungsbewusstsein nach einigen Wochen tatsächlich eine bessere Haltung entwickeln.

Noch fehlt die Forschung

Haltungskorrigierende Kleidung ist eine sehr interessante Idee. Zwar steht ein wissenschaftlich belegter Nutzen noch aus. Sie kann jedoch den Nutzer sensibilisieren und daran erinnern, sich richtig zu halten und zu bewegen. Nicht zuletzt beweist der Nutzer bereits durch den Kauf, dass er eine schlechte Haltungsangewohnheit an sich festgestellt hat und nun etwas ändern will.
Ein vorübergehender, zeitlich begrenzter Einsatz haltungskorrigierender Kleidung könnte vor allem zu Beginn einer Haltungsverbesserung daher durchaus sinnvoll sein und ein Hilfsmittel darstellen, um im nächsten Schritt ohne sie zurechtzukommen.


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