Schnellkraft trainieren

Wer gesund und fit sein möchte, sollte regelmäßige Bewegung zum Alltagsgeschäft machen. Dass sportliches Training auch im Hinblick auf eine gesunde zweite Lebenshälfte das Mittel der Wahl ist, darf wohl als unumstritten gelten. Wissenschaftler wiesen in diesem Zusammenhang unlängst auf die hohe Bedeutung der oft vernachlässigten Übungsvariante Schnellkraft hin.

Experten bemängeln, dass sich die meisten durchgeführten Kraftübungen auf die Maximalkraft und damit auf die Schwere der Gewichte und die Anzahl der Wiederholungen konzentrieren. Die Geschwindigkeit der Ausführung würde dementsprechend in vielen Fitnessstudios allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen.

Rudernd zum Erfolg

Eine brasilianische Studie greift diesen Missstand auf. Für ihre Untersuchung testeten Wissenschaftler die Schnellkraft von 3.878 Nichtsportlern im Alter zwischen 41 und 85 Jahren. Das Durchschnittsalter betrug dabei 59 Jahre. Für die Ermittlung der Schnellkraft wählten die Wissenschaftler die Übung „Aufrechtes Rudern“. Je nachdem, wie erfolgreich die Probanden die Einheiten absolvierten, wurden sie in eine von vier Leistungsgruppen eingeordnet. Sechseinhalb Jahre nach der Schnellkraftermittlung waren zehn Prozent der teilnehmenden Männer und sechs Prozent der involvierten Frauen verstorben. Das Sterberisiko in den Gruppen mit niedriger Schnellkraft erwies sich als besonders hoch.

Schnellkrafttraining im Fitnessstudio

Wie kann eine Umsetzung der brasilianischen Empfehlungen in Studioalltag aussehen? Vor Beginn des Trainings ist es zunächst hilfreich, sich die Unterschiede zwischen Maximal- und Schnellkraft zu vergegenwärtigen. Vereinfacht formuliert zielt Maximalkraft darauf ab, möglichst viel zu heben oder einen möglichst großen Widerstand zu überwinden. Dies umfasst zumeist Übungen, bei denen Gewichte zum Einsatz kommen, für die man über 75 Prozent seines maximalen Leistungspotentials abrufen muss. Die Wiederholungszahl ist in der Regel eher niedrig. Das Leistungsvermögen wird dabei über das sogenannte 1 Repetition Maximum (1RM) definiert und bezeichnet die Last, die man unter Aufwendung seiner gesamten Kraft gerade noch sauber bewältigt. Die Schnellkraft wiederum fokussiert darauf, ein Gewicht so schnell es geht zu heben oder einen Widerstand schnellstmöglich zu überwinden. Hier ist die Wiederholungszahl etwa doppelt so hoch anzusetzen wie beim Maximalkrafttraining. Die Empfehlung bei Maximalkraft lautet: eine bis sechs Wiederholungen. Die Empfehlung bei Schnellkraft lautet: sechs bis zwölf Wiederholungen.

Welche Lasten empfehlen sich?

Kommen wir zu der Frage, wie viel Prozent des maximalen Leistungspotentials einzusetzen sind. Gängige Trainingspraxis sind laut einem Sportexperten- und Trainerportal Übungen bei einer Belastung von etwa 70 Prozent 1RM. Oft eingesetzt würden Langhantel-Kniebeugen, Bankdrücken und Hang Pulls. Bei letzterem wird die Langhantel aus Beckenhöhe mit einem Obergriff zur Brust hochgezogen. Beliebt seien auch Trainingsblöcke, die Springen und Werfen beinhalten. Aber ist die Belastungsintensität von 70 Prozent wirklich optimal? Dieser Frage gingen US-amerikanische Forscher aus Connecticut im Jahr 2007 nach. Dazu führten sie mit Collegesportlern verschiedene Kraftübungen durch, bei denen 30, 40, 50 und 70 Prozent des individuellen 1RM getestet wurden. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass im Durchschnitt bei Belastungen von circa 30 Prozent 1RM die besten Schnellkraftleistungen vorliegen. Viele Trainer und Trainierende halten diese Zahl sicherlich für zu gering. Dabei wird möglicherweise aber nicht bedacht, dass mehr Last zwangsläufig auch langsamere Ausführung bedeutet, was in Widerspruch zu unserer Definition ein „Gewicht so schnell es geht zu heben“ steht.
Die Bedeutung der „30 Prozent-Marke“ wurde laut Dipl.-Sportwissenschaftler Martin Breidenbach auch durch weitere Forschungsergebnisse bestätigt. Wissenschaftler seien in Versuchen mit Kniebeugen, Sprints und Wurfübungen mittels EMG-Messungen und anderer Leistungskennwerte zu der Erkenntnis gelangt, dass 30 Prozent tatsächlich ein guter Referenzwert sind.


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