Ein bisschen Schmerz darf sein

Ein bisschen Schmerz darf sein ​Wer nach dem Training Schmerzen in Muskeln, Sehnen oder Knochen feststellt, muss sich nicht gleich sorgen. Aber den Schmerzverlauf genau beobachten und sein nächstes Training darauf abstimmen.

Sport gilt als wirksame Prävention gegen Schmerzen. Andererseits: Wenn das Training im Studio zur Leistungssteigerung oder zum Muskelaufbau effektiv und intensiv betrieben wird, geht er auch schon mal mit Schmerzen einher. Eine Zwickmühle, die manchen Trainierenden schnell wieder aus dem Fitnessstudio getrieben hat.
Wichtig ist es, die Zeichen des Körpers richtig zu deuten. Dass es beim Krafttraining nach ein paar Wiederholungen anfängt zu ziehen, lässt sich durch harmlose Ermüdungsschmerzen erklären. Kommt es jedoch zu einem plötzlich einschießenden, stechenden Schmerz, der weitere Belastungen des Muskels einschränkt, kann es sich um eine Muskelzerrung handeln, die dann unter Umständen behandelt werden muss.

Behandlung durch Pech

Was ist also zu tun, wenn sportliche Aktivitäten zu Schmerzen führen, die über den höchstens drei bis vier Tage andauernden Muskelkater hinausgehen? Es sei kaum möglich, bei regelmäßigem und körperlich forderndem Training Schmerz zu vermeiden, sagt der Sport-Psychologe Dr. Paul Nilges. „Wird die Komfortzone verlassen, was für jede Leistungssteigerung unvermeidbar ist, kommen Beschwerden ganz zwangsläufig.“ Der Experte aus Mainz, der selbst seit vielen Jahren Marathon läuft, betont, wie wichtig es sei, eine persönliche Balance zwischen Belastung und Belastbarkeit zu finden. Beim Laufen reagiere die Muskulatur dankbar auf Belastung; bei Sehnen, Bändern und Gelenken sieht das anders aus, sie brauchen deutlich länger, um sich an gesteigerte Belastung anzupassen. Werden sie überfordert, kann dies zu starken Schmerzen und Verletzungen führen, die dann beispielsweise bei einer Sprunggelenkdistorsion – also einer Überdehnung der Bänder im Gelenk – nur durch das PECH-Schema, also „Pause, Eis, Compression und Hochlegen“, behandelt werden kann.

Dehnen und Salben

Häufig wird zur Vorbeugung von Schmerz empfohlen, bei oder nach dem Sport Dehnübungen auszuführen. „Wer sich danach besser fühlt, kann das machen. Eine Evidenz dafür haben wir nicht“, weiß Dr. Nilges. Mehrere wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass Dehnen keinen relevanten Einfluss auf das Entstehen von Schmerzen hat.
Anders bei Schmerzgels: Hier kommen neue Studien zu dem Ergebnis, dass Gels durchaus helfen, wenn eine Alltagsbewegung oder eine sportliche Aktivität mit Muskelzerrung, Verstauchung und Schmerzen endet. Nach einer Woche könne der Betroffene wieder schmerzfrei aktiv werden. Der Sport-Psychologe warnt jedoch: „Nicht gleich zur Tube greifen. Bei leichten Beschwerden sollte man die Belastung reduzieren, abwarten und die Signale des Körpers kennenlernen.“ Also nicht präventiv nur aus Angst vor möglichen Schmerzen Schmerzgel verwenden. Angst ist kein guter Begleiter und lässt viele Hobbyläufer zu Schmerzmitteln vor dem Wettkampf greifen. „Tablettenschlucken ist ein No-Go“, betont Nilges.

Das sieht auch Thomas Isenberg so: „Aus Untersuchungen bei Marathonläufern wissen wir, dass die Hälfte von ihnen vor dem Lauf Mittel wie Diclofenac, Ibuprofen oder Aspirin einnimmt, was gravierende Folgen haben kann.“ Für den Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. sind Schmerzen eine Warnung des Körpers. Wird unter dem Einfluss von Schmerzmitteln trainiert, dann werden Gelenke und Muskeln überlastet. Die Verletzungsgefahr steige und zudem schädigen die Substanzen die Blutgefäße, was zu Darmblutungen und Nierenversagen führen kann. „Mein Appell an Sportlerinnen und Sportler ist: Hände weg von dieser Form des Medikamentenmissbrauchs“, so Isenberg.

Ein bisschen Schmerz darf sein

Regelmäßiger Sport zur Verbesserung von Ausdauer und Kraft wirkt lebensverlängernd und schützt vor Gebrechlichkeit im Alter. Sport hat auch positive Auswirkungen auf die Psyche und die Selbstwirksamkeitsüberzeugung, also das Wissen, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. „Wer körperlich aktiv ist, Sport treibt und sich viel bewegt, kann mit anderen Belastungen des Lebens besser umgehen und erhöht seine Lebensqualität“, weiß der Psychologe.
Ähnlich sieht es auch Professor Dr. Ingo Froböse von der Sporthochschule in Köln: „Sportler müssen sich an ihren Grenzen bewegen, um ihre Leistung zu optimieren.“ Deshalb kann es schon einmal zu Schmerzen kommen. Aber: „Akuter Schmerz ist immer ein Zeichen für akute Überlastung“, sagt der Sportwissenschaftler. Dem sollte man immer Rechnung tragen. Seine Empfehlung bei Schmerzen in der Wade: Neben moderater Bewegung können auch physikalische Maßnahmen helfen, zum Beispiel eine Therapie mit Kälte, die die Durchblutung anregt. „Auch eine Massage oder ein warmes Bad können dann sehr wohltuend sein“, sagt Froböse. Es kommt auch vor, dass die Ansätze der Sehnen gereizt sind und deshalb Knie oder Wade schmerzen. Dann hilft Kälte. Dafür hat der Kölner Professor einen Tipp: Wasser mit einem Stäbchen oder Löffel in einem leeren Joghurtbecher einfrieren und damit dann die schmerzenden Ansätze der Sehnen kühlen.


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