Schlank zu sein oder zu werden, ist ein Ziel, das die meisten tief verinnerlicht haben. Nicht selten stecken gesellschaftliche Zwänge hinter dieser Form der Selbstoptimierung. Wäre es nicht besser, sich von ihnen zu befreien? Die „Body Positivity“-Bewegung fordert genau das. Doch warum ist das so?
Hinterfragen von Schönheitsidealen
„Der Blick auf den Wandel unserer Schönheitsideale im Laufe der
Geschichte zeigt, dass sich diese den jeweiligen gesellschaftlichen
Gegebenheiten anpassen“. Das Zitat stammt aus dem Trendreport des
Hamburger Medizintechnikunternehmens seca, der untersucht, was
gesellschaftliche und gesundheitliche Entwicklungen für die Fitnessszene
bedeuten. Eines der Topthemen ist dabei die Neubewertung bestimmter
körperlicher Erscheinungsformen. Insbesondere sollte darüber nachgedacht
werden, ob es sinnvoll ist, das weit verbreitete Phänomen Übergewicht
per se als unerwünscht und negativ zu betrachten. Somit ist auch
Schlanksein als einseitig propagiertes Schönheitsideal zu hinterfragen,
zumal offensichtlich viele Menschen mit ein paar Pfund mehr auf der
Waage kein Problem haben. Hier setzt auch die Bewegung „Body Positivity“
an. Sie versucht, Menschen davon zu überzeugen, dass ihr Körper okay
ist, auch wenn er nicht dem von der Gesellschaft diktierten Normen
entspricht. Denn das Körperbild, das die Modewelt vermittelt, stimmt
oft nicht mit der Selbstwahrnehmung überein – die meisten Menschen sehen
eben nicht so aus wie ein Model. Die Bewegung fordert, jeden Körper zu
akzeptieren, unabhängig von seinem Aussehen. Damit stellt sie die
vorherrschende Vorstellung in Frage, dass nur schön und gesund ist, wer
schlank ist. Die Menge der Befürworter der „Body Positivity“-Bewegung
wächst im Übrigen kontinuierlich. Allein der Instagram-Hashtag
#bodypositivity wurde bereits fast 3,9 Millionen Mal verwendet.
Body Positivity und Gesundheit
Trotz oder gerade wegen allen Wissens über seine Negativfolgen muss das
Thema „Übergewicht“ differenziert betrachtet werden, so der Trendreport.
Zu viele Kilos würden in unserer Gesellschaft oft mit Attributen wie
„ungesund“ und „krank“ belegt. Umgekehrt wähnen sich Schlanke und
Normalgewichtige in der scheinbaren Sicherheit, gesund zu sein. Jedoch
weist auch jeder fünfte Schlanke ein erhöhtes Risiko auf, an
kardiovaskulären Krankheiten wie Diabetes oder Schlaganfall zu leiden.
„Je mehr Übergewichtige es gibt, desto genauer müssen wir hinsehen“,
sagt die promovierte Oecotrophologin Heike Niemeier aus Hamburg. Man
müsse aufpassen, nicht alle Übergewichtigen in den Topf der „kranken,
dicken Risikopatienten“ zu werfen. „Damit vorverurteilen wir die
Übergewichtigen und lassen gleichzeitig möglicherweise risikobehaftete
Schlanke durchs Raster fallen. Es wird immer wichtiger, dass wir den
Ernährungszustand von Menschen ganzheitlicher betrachten. Es reicht
nicht aus, sie auf eine Waage zu stellen, den BMI zu bestimmen und dann
in die Kategorien ‚schlank = gesund’ und ‚übergewichtig = krank’
einzuordnen. Das Wissen um gesunde Dicke, kranke Schlanke und die „Body
Positivity“-Bewegung zeigen uns ganz deutlich: Es kommt nicht auf die
Menge der Zellen an, sondern auf deren Gesundheit“.
Body Positivity und Fitness
Insbesondere im Segment der gesundheitlich fokussierten Fitness sollten weniger die Optik und das Gewicht eine Rolle spielen. „Für den Gesundheits- und Ernährungszustand ist vielmehr entscheidend, wie viel wertvolle, aktive Muskelmasse im Verhältnis zur Fettmasse vorhanden ist. Auf dieser Basis lässt sich eine viel genauere Aussage über das Erkrankungsrisiko treffen“, so Niemeier. Fitnessanbieter, die entsprechend agieren, rücken also Gesundheit statt Aussehen in den Vordergrund. So können sie auf Basis qualitativer Gesundheitsdaten das Training wesentlich individueller und dadurch effizienter gestalten und die Motivation und Präventionsbemühungen ihrer Mitglieder fördern. Viele Fitnessstudios mit einer gesundheitlichen Positionierung wüssten um die Mehrdimensionalität der Gewichtsthematik und gingen erste Schritte: Mit Kursen, die gesundheitsbewusstes Verhalten fördern, Vermessungsaktionen, die weniger den BMI im Blick haben, sondern eine gesunde Körperzusammensetzung und mit individuellen, ganzheitlichen Trainingskonzepten, die nicht auf den schnellen Abnehmerfolg fokussieren, sondern einen gesunden Körper zum Ziel haben. Niemeier: „Bei fortschrittlichen Fitnessstudios lösen schon heute Parameter wie Fettverteilung, Muskelstärke, Beweglichkeit und Fitnesslevel den BMI ab. Ihnen kommt eine zentrale Rolle bei der notwendigen Umsetzung des Präventionsgedankens zu.“
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